Läuferknie
In der Sportmedizin finden sich häufig Namen für Krankheitsbilder und Verletzungen, die klar an eine Sportart angelehnt sind. Beispiele dafür sind Schwimmerschulter, Tennisellenbogen, Skidaumen, Ringerohr oder Springerknie. Solche Namensgeben gehen meist auf ein gehäuftes Auftreten dieser Problematik in einer Sportart zurück.
Beim Läuferknie, in Deutschland auch als ITBS bezeichnet (ITBS= Iliotibiales Bandsyndrom), handelt es sich dabei um eine Bursitis/Reizzustand zwischen dem lateralen Femurkondylus (tastbarer Knochenvorsprung des Oberschenkelknochens am äußeren Kniegelenk) und dem Tractus iliotibialis. In MRT-Studien zeigen sich dabei Flüssikeitseinlagerungen in Sekundärbursen (Bursa=Schleimbeutel).
Der Tractus selber zeigt sich dabei im Regelfall unverändert.
Im Gegensatz z.B. zur Achillodynie, die mit chronischen Schmerzen an der Achillessehne einhergeht, handelt es sich also um keine Sehnenerkrankung.
Um das Krankheitsbild und seine Behandlung zu verstehen ist es notwendig, sich mit der Anatomie vertraut zu machen.

Tractus iliotibialis:
mehrere Zentimeter breiter Faserzug am äußeren Oberschenkel, der in die derbe Bindgewebshülle des Oberschenkels eingebettet ist.
Zwei Muskeln strahlen auf der Höhe des großen Rollhügels (Trochanter major) in diesen Faserzug ein:
– M. glutaeus maximus
– M. tensor fasciae latae
„Unten“ setzt der Tractus am sogenannten Tuberculum Gerdy am Schienbeinknochen an.
Der Tractus ist eine sehr wertvolle anatomische Struktur und reduziert unter anderem nach dem Zuggurtungsprinzip die Beanspruchung des Oberschenkelknochens.
Je nach Stellung wirkt er am Kniegelenk als Strecker oder Beuger und ist außerdem ein Außenrotator des Unterschenkels.

Was passiert beim Laufen mit dem Tractus iliotibialis?
In Streckung gleitet der Tractus über den lateralen Kondylus des Oberschenkels nach vorne, in Beugung nach hinten.
Beim Ausdauerlauf findet der Kontakt des aufsetzenden Fußes mit einer Beugung im Kniegelenk von durchschnittlich 21° statt. Dann erfolgt unter weiterer Lastaufnahme die weitere Beugung. Der Kontaktpunkt des hinteren Randes des Tractus mit dem Kondylus erfolgt dann bei ca. 25-30° Beugung.
Wenn ein Läufer z.B. 60 km in der Woche läuft, was in der Vorbereitung auf einen Marathon ein übliches Wochenpensum auch für reine Hobbyläufer ist, dann erfolgt diese Kontakt je Knie ca. 30.000 mal.
So erklärt sich, dass z.B. Sprinter nicht betroffen sind.
Sprinter trainieren nicht nur mit viel geringeren Umfängen, auch die Kraftaufnahme des Fusses erfolgt bei einem Beugewinkel jenseits der 30°. Dadurch hat der Tractus den Kontaktpunkt mit dem Oberschenkelknochen schon verlassen, wenn die Kraftaufnahme des Körpergewichtes erfolgt.
Eine andere Sportart, die ebenfalls viele Betroffene zeigt, ist der Radsport. Hier kommt es aufgrund des hohen Trainingspensums ebenfalls zu einer Vielzahl von „Kontakten“.
Was sind Ursachen oder begünstigende Faktoren des Läuferknie?
  • Schwäche der Hüftabduktoren und reduzierte Fähigkeit der Hüftabduktoren zur kontrollierten exzentrischen Muskelarbeit (Vgl. Fredericson et al. 2000 und 2005)
  • Genu varum (O-Bein)
  • varischer Rückfuß/ vermehrtes Aufsetzen äußeren Fußrandes
  • Abbremsen der Seitwärtsbewegung mit extendiertem Kniegelenk (vgl. Segesser 1997)
  • Verkürzung Tractus/M. Tensor fasicae latae
  • ausgeprägte Pronation bei Knick-Senk-Fuß (verstärkte Innenrotation der Tibia führt zu höhrerer Zugbelastung des Tractus)
- Beinlängendifferenzen
- häufige Trainingseinheiten auf nach außen abschüssigen Straßen oder Bergabläufe
Wie kann ich ein Läuferknie sicher diagnostizieren?
Typisch ist ein wiederkehrender Schmerz im Bereich des lateralen Epikondylus des betroffenen Kniegelenkes (meist ca. 2-3 cm oberhalb der lateralen Gelenklinie).
Häufiger lässt sich hier auch ein Druckschmerz auslösen.
Wenn ausgeprägte Bursitiden vorliegen, was nicht immer der Fall sein muss, dann lassen sich diese im MRT oder in hochauflösenden Ultraschallgeräten der neuesten Generation darstellen.
Das MRT ist hier in der Darstellung tendenziell überlegen. Der grosse Vorteil der Ultraschalluntersuchung ist, dass eine Verlaufs- und Therapiekontrolle möglich ist.
Bei unklaren Fällen ist eine lokale diagnostische Infiltration mit einem Lokalanästhetikum ein ungemein hilfreiches Tool, um ein Läuferknie sicher zu diagnostizieren oder auszuschließen.
Wir kombinieren im ZfS-Zentrum für Sportmedizin diese Infiltration mit einem Provokationstest auf dem Laufband.
An welche Differentialdiagnosen muss ich bei Schmerzen im Bereich des äußeren Kniegelenkes denken und wie kann ich diese Diagnosen ausschließen/bestätigen?
  • Aussenmeniskusläsion (Anamnese, DS Gelenkspalt, Meniskuszeichen (Steinmann I u. II, Payr, Apley), MRT)
  • Lateralseitige Arthrose (laterales Kompartiment u./o. lat. femoropatellar (Anamnese, Klinik, Rö, MRT)
  • Fibulaköpfchenblockierung (manuelle Prüfung des Gelenkspieles im Seitenvergleich)
  • L5-Syndrom (Anamnese, Klinik (Sensibilität, Motorik, Nervendehntest (Lasegue, Slump Test)), bei belastungsinduzierter Radikulopathie (NLG vor und direkt nach Belastung auf dem Laufband), ergänzend MRT LWS
  • Tendinopathien/Ligamentosen in der Region
    (z.B. Insertionstendinopathie des Tractus, Reizzustand/Verkürzung des lat. Retinakulums der Patella, Insertionstendinopathie des M. biceps femoris
Wie wird ein Läuferknie erfolgreich therapiert?
  • Optimierung der Schuhversorgung (u.a.: besser  2 Paar Laufschuhe laufen)
  • Einlagenversorung oder Schuhzurichtung mit Aussenranderhöhung (wenn von Seiten des Rückfußes tolerabel/sinnvoll)
  • Lokale Infiltrationen (anders als an der Achillessehne oder Patellasehne ist ein überlegter Einsatz von Kortikoiden komplikationsarm durchführbar und zeigt eher gute Resultate (Vgl. Gunter 2004))
    – alternativ können andere Zusätze ausgewählt werden (z.B. ACP)
  • Zeitlich begrenzter Einsatz von NSAR (z.B. Diclofenac) unter Berücksichtigung der Kontraindikationen (keine Einnahme vor dem Lauf)
  • Symptomatische nichtmedikamentöse Behandlung von Schmerzen (z.B. Akupunktur, Kinesio-Taping)
  • Physikalische Therapie (u.a. Kryotherapie)
  • Vermeidung von Trainingsfehlern (bei Wiedereinstieg 10% Regel (Umfangssteigerungen von maximal 10% je Woche)
  • Immer Berücksichtigung des gesamten Beines und des Beckens (u.a. Rückfußstellung, Pronationswinkelgeschwindigkeit) (manualtherapeutische  Diagnostik und Laufanalyse hilft Zusammenhänge zu erkennen)
  • Exzentrisches Training für die Hüftabduktoren (!!!) und rumpfstabilisierende Übungen (Vgl. Niemuth 2005, Fredericson 2000 u. 2005)
  • Operative Therapie (Einkerbung des Tractus (dorsalen Rand des Tractus in 30° Kniebeugung einkerben), Z-förmige Verlängerung, Bursektomie, Abtragung Exophyten lateraler Epikondylus/Denervierung) ist seltene Ausnahme im praktischen Alltag

Eine operative Therapie wird insgesamt sehr selten erforderlich, das sich ein Läuferknie im Regelfall mit sehr guten Ergebnissen konservativ behandeln lässt.
Wenn aufgrund anhaltender Beschwerden eine Operation erforderlich wird, dann ziehen einige Operateure tendenziell eine Z-förmige Verlängerung vor. Diese erfordert zwar einen etwas längeren Hautschnitt und eine etwas längere Trainingspause, ist aber gerade im Leistungssport ein Verfahren, das eine gezieltere Verlängerung und eine gute Übersicht bei Durchführung weiterer Maßnahmen wie Bursektomie oder Abtragung von Exophyten ermöglicht.
Alternativ kann diese Maßnahme auch arthroskopisich/nanoskopisch assistiert erfolgen.

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